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„Und jetzt beginnt die Zeit der Wurzel…“. Vor wenigen Wochen hatte ich mehr oder weniger durch Zufall die Gelegenheit, an einem Kräuterseminar im Hunsrück teilzunehmen. Die anderen Teilnehmerinnen hatten sich das Jahr über in regelmäßigen Abständen getroffen, um das Besondere jeder Jahreszeit zu erspüren. Beginnend mit dem jungen Grün im Frühjahr, über die Hoch-Zeit der Blüten im Mai/Juni und den reifen Früchten im Spätsommer sollte das Seminar dann schließlich im Herbst seinen Abschluss finden. Neben der spannenden Anleitung, wie man vitaminreiche Hagebutten ohne große Mühe verarbeiten kann, habe ich diesen Gedanken der Referentin mit nach Hause genommen: „Jetzt beginnt die Zeit der Wurzel.“
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Jahr für Jahr erleben wir im Herbst, wie die Natur sich rüstet für den Winter. Sie entledigt sich allem, was für sie in dieser Jahreszeit nicht mehr von Bedeutung ist. Die Blätter fallen ab und werden später zu Humus, der den Boden wiederum mit notwendigen Nährstoffen versorgt. Alle Kraft zieht sich in die Wurzeln zurück, denn sie sind es, die den Pflanzen, insbesondere den Bäumen auch in stürmischen Zeiten notwendigen Halt verleihen. Es ist verrückt, aber natürlich weiß ich schon seit frühen Kindertagen, dass die Schöpfung sich auf diese Weise für den Winter bereitet. Und trotzdem hat mich dieser Impuls während des Seminars noch einmal neu berührt, weil mir die Vorgänge in der Natur als starkes Bild für den inneren Weg erschienen, zu dem uns der nun beginnende Monat einlädt.
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Wir stehen im November – Umfragen zufolge soll er der mit Abstand unbeliebteste aller Monate sein. Die Tage werden dramatisch kürzer, Stürme lassen das wunderschöne Blatt-Gold des Oktobers zu Boden fallen, und wenn man nicht ganz genau hinschaut, gibt es draußen erstmal nichts Spektakuläres mehr zu sehen. Ist dieses berühmt-berüchtigte Novembergrau nicht eine einzige große Ermutigung (oder soll ich besser schreiben: Zu-Mutung?) für uns, uns zu sammeln und auf das Wesentliche zu konzentrieren? Mir erscheint der November jedes Jahr wie eine „Exerzitien-Zeit“, in der die äußeren Eindrücke und Ablenkungen jahreszeitbedingt so stark reduziert sind, dass wir fast zwangsläufig mit unserer Innenwelt in Berührung geraten. Natürlich ist dieses „Nach-Innen-Klappen“, wie eine gute Freundin diese Bewegung gerne beschreibt, nicht immer nur angenehm – vor allem wenn wir ohnehin dunkle, stürmische Zeiten durchleben müssen. Und dennoch zeigt die Erfahrung, dass unsere Seele genau diese Kargheit braucht, um zu lernen, inneren und äußeren Widerständen zu trotzen und gleichzeitig empfänglich zu werden für das Wunder des Lebens.
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Jetzt ist die Zeit der Wurzel – ich wünsche uns allen den Mut, diese Wochen zu nutzen, um in der Tiefe ergründen zu können, wer und was unserem Leben wirklich Halt und Nahrung gibt.
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